Letzte Aktualisierung:

30 Jahre Fêtes Maritimes de Brest und Temps Fête Douarnenez

Segelveranstaltungen in Frankreich 2022
Temps Fête Douarnenez 2022

Temps Fête Douarnenez 2022

Seeräuberfigur der Étoile du Roy

Seeräuberfigur der  "Étoile du Roy"

Bristol Channel Pilot Cutter Letty (1905)

Bristol Channel Pilot Cutter "Letty" (1905)

Segeln in der Bucht von Brest

Segeln in der Bucht von Brest

Englische Flotte in Douarnenez

Englische Flotte in Douarnenez

Traditionelle Segelschiffe vor Douarnenez

Traditionelle Segelschiffe vor Douarnenez

Bel Espoir

"Bel Espoir"

Joséphine D21

"Joséphine D21"

Segelschiffe vor Douarnenez

Segelschiffe vor Douarnenez

Französische Segelschiffe

Französische Segelschiffe

Temps Fête Douarnenez 2022

Temps Fête Douarnenez 2022

Regatta vor Douarnenez

Regatta vor Douarnenez

Hafen von Rosmeur

Hafen von Rosmeur

Chaloupe Sardinière Poulligwen

Chaloupe Sardinière "Poulligwen"

Die Faszination, die von Segelveranstaltungen in Frankreich ausgeht, lockt mich seit Jahren immer wieder in die Bretagne. Hier sieht man vor allem französische Segelschiffe, Schiffe von den Kanalinseln und aus dem Süden Cornwalls und Englands. Während früher auch deutsche Schiffe vertreten waren, sind diese heute selten. Zu groß ist vermutlich der Aufwand der Anreise.

Vor 30 Jahren begann in Brest eine Serie von Veranstaltungen. Seitdem wird die französische Stadt alle 4 Jahre zum Wallfahrtsort für alle Schiffsliebhaber. Zum Jubiläum hatten die Organisatoren nur eine kleine Veranstaltung geplant und nur wenig beworben. Französische Freunde hatten mich gewarnt, nicht mit zu großen Erwartungen anzureisen. Ich war also nicht erstaunt, dass nur ein Hafenbecken im Industriehafen und ein kleiner Teil des Hafens für Freizeitschiffe für die Veranstaltung genutzt wurden. Im Hafenbecken lagen die "La Recouvrance", die "Belle Poule" und die frisch überholte "Étoile du Roy", ansonsten vor allem kleinere Segelschiffe. An Land gab es einen abgesperrten Veranstaltungsbereich: kostenfrei! Hier zeigten sich vor allem maritime Einrichtungen, Vereine, die Schiffe betreiben, der Verlag Chasse-Marée, der Sponsor Armor Lux und natürlich die Marine Nationale. Ich hatte spontan Lust, an jedem Stand stehen zu bleiben, um etwas zu entdecken. Natürlich gab es auch Cidre und französisches Fastfood. Allerdings sehr ungewöhnlich: jeden Tag um 19:00 Uhr wurde das Veranstaltungsgelände geschlossen.

Es gab nur eine Bühne in Brest. Dazu muss man wissen, dass französische maritime Veranstaltungen immer mit sehr viel Musik verbunden werden. In Deutschland meide ich das ohrenbetäubende Gedröhne schon aus gesundheitlichen Gründen. Hier blieb ich einfach stehen und hörte zu!

Die große Innenmole vor der Hafenausfahrt war für mich der Laufsteg für die nächsten drei Tage. Dabei musste man sich vor allem vor der Sonne schützen und genügend Getränke mitnehmen. Auch in der Bretagne waren zu der Zeit stetig mehr als 30 Grad im Schatten.

Die "La Recouvrance" beging in Brest ebenso ihr 30-jähriges Jubiläum. 1992 ging sie bei der Veranstaltung im gleichen Hafenbecken zu Wasser. Auch die "Belle Poule" feierte in diesem Jahr schon den 90. Geburtstag. Besonders aufgefallen sind mir in Brest aber auch "Ar Jentilez", ebenso Baujahr 1992, und der restaurierte Bristol Channel Pilot Cutter "Letty" von 1905, meine erstmalige Begegnung mit diesem Schiff.

La Recouvrance zur Temps Fête Douarnenez 2022

 "La Recouvrance" zur Temps Fête Douarnenez 2022

Belle Poule, Schulschiff der französischen Marine

 "Belle Poule", Schulschiff der französischen Marine

Am letzten Tag, dem Nationalfeiertag, machte ich mich bereits auf den Weg zum Sommerfest in Dourarnenez. Als ich in dem kleinen Fischereiort eintraf, waren viele Segelschiffe schon vor Ort.

In Douarnenez gab es in diesem Jahr keinen Stapellauf, dafür aber eine Taufe. Die Association Treizour Douarnenez - Amis du Port-Musée brachte schon 1983 das Sardinenfangboot "Telenn Mor" an den Wind, welches heute mehr denn je gesegelt wird. Und sie haben es nun wieder getan. 2020-21 entstand im Rahmen eines Bildungsprojekts ein neues Boot, das nun seit dem Sommerfest den Namen D21 "Joséphine" trägt.

Ebenso hoch interessant liest sich die Geschichte der "Bel Espoir II". Das 1944 in Dänemark gebaute Holzschiff ist seit Frühjahr 2017 auf Grund struktureller Probleme am Rumpf nicht mehr seetüchtig. Die Betreiber AJD - Amis de Jeudi Dimanche - trafen daraufhin die Entscheidung für einen Neubau aus Stahl. Das Besondere an dem Projekt war, dass man versucht hat, alle Aufbauten und Einrichtungen an Deck vom alten Schiff wiederzuverwenden. Der Rumpf entstand auf einer Werft. Den Auf- und Innenausbau hat der Verein selbst geleistet. Die alte und die neue "Bel Espoir" sehen sich heute wirklich sehr ähnlich.

Ich kann weitere Beispiele nennen und muss die Geschichte einiger Schiffe, die ich neu in Brest und Douarnenez sah, erst recherchieren. Meine Kontakte nach Frankreich sind nicht intensiv genug, um zu sagen, ob es auch Probleme gibt, wie wir sie leider aus Deutschland kennen, wo ein Traditionsschiff nach dem anderen in Schwierigkeiten gerät. Frankreich hat es aber geschafft, sein maritimes Erbe so zu pflegen, dass weitere maritime Veranstaltungen in den nächsten 20-30 Jahren von dieser Seite her nicht in Gefahr sind. Kann man das auch für Deutschland behaupten?

In Douarnenez fand ich es noch sehr bemerkenswert, dass die "Shtandart" als friedlicher Botschafter Russlands am Sommerfest teilnahm. Das Schiff segelt seit Jahren in Westeuropa, meidet aber zum Beispiel die deutsche Küste und unsere Veranstaltungen, weil sie hier mit Repressalien rechnen muss.

Ich habe nach Douarnenez meine Reisepläne sehr spontan geändert. Die Provence und überhaupt die Mittelmeergegend kann man aus meiner Sicht auf Grund von Hitze und Feuerbrünsten im Sommer nicht mehr bereisen. Stattdessen fuhr ich noch nach Vannes. Die Stadt ist einer der Aktionspunkte der Semaine du Golfe du Morbihan. Alle zwei Jahre findet hier seit mehr als 20 Jahren eine Woche lang ein maritimes Festival statt, welches eine ganze Region einbezieht und wo sicher mehrere hundert Boote und Schiffe auf dem Wasser sind. Ich sah sie liegen, in Bono, in Auray und in Port Anna. Und selbst, als es mich danach noch nach La Baule, einer Touristenhochburg Frankreichs mit Stränden wie an der Côte d’Azur, verschlug, fand ich im nahegelegenen Pouliguen ein traditionelles Holzboot mit braunen Luggersegeln, welches von einem städtischen Verein aktiv betrieben wird. Ich wollte mitsegeln, aber es war leider bereits ausgebucht!

Fêtes maritimes de Brest

Fêtes maritimes de Douarnenez

Bateaux des côtes de France: un bateau pour chaque port

Die Geschichte vieler Segelschiffe, die heute bei französischen Segelveranstaltungen präsentiert werden, beginnt oft ähnlich. In den 1970er Jahren stellte man nüchtern fest, dass die maximale Lebensdauer der ehemaligen Arbeitsschiffe unter Segeln erreicht und überschritten war. Frankreich mit seinen ca. 20.000 km Küstenlinie und einem breit gefächterten Netz aus Flüssen drohte damals sein maritimes Erbe zu verlieren. Holzboote und Schiffe, die in jedem Hafen des Landes lagen, wurden auf Grund verschiedener Krisen stillgelegt oder durch motorisierte und stählerne Schiffe ersetzt. So verschwanden in manchen Küstenbereichen ganze Flotten. Man sieht die Reste dieser Boote teilweise heute noch abgelegt auf Schiffsfriedhöfen in den Flussläufen im Schlick.

Schiffsfriedhof bei Bono

Schiffsfriedhof bei Bono

Schiffswrack im Schlick

Schiffswrack im Schlick

Schiffsfriedhof Île d'Arz

Schiffsfriedhof Île d'Arz

In den 1970er Jahren gab es dann die ersten maritimen Veranstaltungen in Ploumanac'h, Concarneau und Porz Béac'h an der Atlantikküste Frankreichs. Das maritime Brauchtum und Leben an der Küste wurden dabei zelebriert. Es wurde damals begonnen, einige der noch vorhandenen Schiffe für Museen zu konservieren, um das nationale maritime Erbe und Wissen zu retten. Wracks wurden vermessen und Zeichnungen erstellt. Aus Zeichnungen wurden Bauunterlagen und es wurden einige wenige Schiffbauprojekte gestartet. Zu den ersten Booten, die damals restauriert oder neugebaut zu Wasser gingen, gehörte 1981 die Sinagot "Nicolas Benoît" (heute "Ma Préférée") und 1983 das Sardinenfangboot "Telenn Mor".

Dann kam es zu der bekannten Initiative "Bateaux des côtes de France: un bateau pour chaque port" der Chasse-Marée mit dem Aufruf an die Kommunen im Land, das maritime Erbe Frankreichs durch spezifische Neubauten zu sichern. Teilnehmer der Initiative waren Vereine mit Unterstützung durch städtische Einrichtungen. Ein grundlegendes Problem war die Geldbeschaffung. Vieles wurde durch die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung und der Industrie ermöglicht. Zwischen 1989 und 1992 sollen bis zu 100 Schiffe ganz unterschiedlicher Größe entstanden sein. Die Typenvielfalt ist dabei beeindruckend.

Durch die unterschiedlichen Projekte wurden auch ehemalige Bootsbautechniken wiederentdeckt. Bootswerften an den Küsten konnten davon profitieren. Einige der Boote und Schiffe wurden nicht auf Werften gebaut, sondern auf Bauplätzen direkt in der Öffentlichkeit, so wie man es früher auch machte. Daraus entstand sofort ein touristisch nutzbarer Wert. Die Bootsbautätigkeit brachte viele Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten zusammen. Ebenso das Recherchieren und Anlegen von Archiven zu maritimen Themen wurde gefördert. So wurden mehr als 200 verschiedene Bootstypen identifiziert und dokumentiert. Sie unterscheiden sich in ihrer Größe, Rumpfform und Segelanordnung, was jeweils auf die ursprüngliche Verwendung abgestimmt war.

Die neu entstandenen oder restaurierten Schiffe wurden dann 1992 in Brest einer Jury präsentiert, die viele Auszeichnungen und Preise vergab. Ein Meilenstein und Höhepunkt war der Moment, als 1992 beim ersten Segelfestival in Brest die "La Recouvrance" zu Wasser ging. Und die Initiative scheint noch nicht beendet! Stapelläufe finden seitdem auf fast jeder Veranstaltung in Brest oder Douarnenez statt.

Restaurierte oder neu gebaute Schiffe müssen stetig erhalten und gesegelt werden. Dabei wird traditionelle Seemannschaft praktiziert. Noch gab es Bootsführer, die ihr Wissen an jüngere Generationen weitergeben konnten. Vieles wurde auch einfach ausprobiert. Auch das Segeln von Regatten hat geholfen, beinahe verloren gegangenes Wissen neu zu beleben. Das Segeln mit diesen Booten, nicht nur auf Segelveranstaltungen, bringt den Gemeinden an der Küste heute viel Aufmerksamkeit und touristischen Gewinn.

Quellen:

Charlotte De Saulce: Exposition Les 30 ans du concours "Bateaux des côtes de France", Dokumentation auf dem Veranstaltungsgelände, Douarnenez 2022