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Zeesbootregatta Bodstedt
Die Zeesbootregatta in Bodstedt, die immer am ersten Wochenende im September ausgetragen wird, ist die älteste und gemessen an der Anzahl der teilnehmenden Zeesboote die größte der in neuer Zeit regelmäßigen Wettfahrt für diesen Bootstyp. 1965 ergriff der Zeesbootfachmann und Werfteigner Eckkehard Rammin die Initiative, um die letzten in der Region verbliebenen Zeesfischer zur ersten Regatta dieser Serie zu überreden. Damals sollen 8 Boote teilgenommen haben. Heute sind es an diesem Wochenende rund 50 Boote mit ihren Besatzungen, die sich in dem kleinen Hafen von Bodstedt am Saaler Bodden treffen.
Zeesboote sind ehemalige Arbeitssegler, beheimatet in der südlichen Ostsee, und ein Stück maritimer Kultur dieser Region Deutschlands. Kultur, Handwerk und Fischereitradition kann man bei jeder Regatta auch im Hafen erleben. Es sind an diesem Wochenende sicher Tausende Besucher, die nach Bodstedt kommen, um die braunen Segel der Zeesboote im Wind zu erleben.
Die Wettfahrt beginnt dabei bereits im Hafen, wenn die Boote aufgetakelt werden, und in der Reihenfolge der Ergebnisse aus dem Vorjahr vom Liegeplatz direkt zur Startlinie unmittelbar vor der Hafeneinfahrt segeln. Wie aufgefädelt auf einer Perlenschnur verlässt dann Boot für Boot den Hafen. Es wird ein Dreieckskurs gesegelt, wobei die Zeesboote je nach Größe in zwei Klassen gewertet werden. Es erfordert hohe Konzentration auf dem Start- und Zielschiff, um alle Boote richtig zu erkennen und die Segelzeiten korrekt zu erfassen, denn die Abstände der schnellsten Zeesboote liegen nur im Bereich von Sekunden.
Die Zeesbootregatta Bodstedt wird durch den Traditionshafen Bodstedt e.V. ausgerichtet. Die Wettfahrt ist Teil einer Serie von Regatten, die jährlich auch von anderen Häfen der Boddenregion aus starten.
Zeesboot, Zeesenboot, Zeese
Welcher Begriff ist richtig?
Der bekannte Rostocker Zeesbootfachmann Hermann Winkler hat in einer kurzen Abhandlung einmal die Herkunft des Begriffs "Zeese" untersucht, die diesem
Bootstyp den Namen gab. Danach nimmt man an, dass das Wort "Seyze", bereits 1315 nachweislich in Zeugnissen von Buggenhagen bei Lassan in Vorpommern
verwendet, aus dem östlichen baltischen Raum kommt. Mit ostrussisch "sědia", estländisch "sääs" oder im Raum Litauen als "sedžia" bezeichnete man
anfangs sowohl ein Wehr als auch ein Zugnetz. Auf Haff, Bodden und entlang der südlichen Ostseeküste setzte sich der Begriff dann zur Bezeichnung
eines Fangsacks für verschiedene Arten der Schleppnetzfischerei durch.
Der Begriff "Zeese" bezeichnet also ein Fanggerät für Fische. Später erst sind für Fahrzeuge, die solche Fanggeräte einsetzen, Bezeichnungen wie
"Zesekahn" (1449 in der Stralsunder Chronik), "Zeszekan" (1524 in einem Verweis auf eine Regelung der Zeesener-Fischerei durch Herzog Bogislaw X.
und Privilegiumsbestätigung für die Stadt Ueckermünde), "Zesekan" (1541 in der Stettiner Haffordnung), "nathe Czesekane" (1601 in der
Stralsundischen Vischer-Rulle) und schließlich "Zeesboot" (1858, erster aktenkundlicher Beleg in Stralsund) überliefert, die wir heute
hochdeutsch "Zeesenboot" nennen.
Mit der Ausdehnung des Verbreitungsgebiets dieses Bootstyps auf Teile der dänischen Küste wurde hier auch der Begriff "Åledrivkvase" zur Bezeichnung verwendet.
Wie hat sich der Bootstyp Zeesboot entwickelt?
Das Entstehungsgebiet der Zeesenboote ist die südliche Ostseeküste, das Oderhaff und die Küsten von Mecklenburg und Vorpommern. Fischer setzten hier im 16. und
17. Jahrhundert Zeeskähne für den Fischfang ein.
Der mittelpommersche Zeeskahn des Oderhaffs war ein etwa 20-22m langes Boot mit zwei Masten, an denen feste Luggersegel und ein Focksegel geführt wurden. Er hatte
zwei Seitenschwerter und wurde im Oderhaff noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts zum Fischfang eingesetzt. Zeeskähne haben die Entwicklung des Zeesenboots sehr beeinflusst
und so geht man heute davon aus, dass der etwas kleinere vorpommersche Zeeskahn ein Vorgänger des heute bekannten Bootstyps Zeesenboot ist.
Die Zentren der Zeesenfischerei lagen vor allem im Stettiner Haff und später auch in Stralsund vor Rügen. Von hier aus breitete sich der Bootstyp und die Art zu Fischen
entlang der mecklenburgischen Küste bis zur Mecklenburgischen Bucht und später auch bis nach Schleswig-Holstein aus.
Die Entwicklung des Zeesenboots erhielt Impulse durch die etwa zeitgleiche Einführung des gedeckten Kutters und die Schleppnetzfischerei auf der Ostsee. Anregungen
erhielten die in ihrer Jugend häufig auf großen Schiffen ausgebildeten und beschäftigten Fischer auch durch den Großschiffbau. Einfluss auf die Entwicklung dieses
Bootstyps hatten weiterhin gesetzliche Verordnungen. 1856 ergingen beispielsweise durch den Rat von Stralsund Bestimmungen über zugelassene Größen bei Zeeskähnen.
Seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Zeesenboote eingesetzt, wie sie noch heute erhalten sind. Das Zeesenboot ist im Gegensatz zum Zeeskahn ein halbgedecktes
Boot mit einer Gaffeltakelung. Im vorpommerschen Raum war die Ketschtakelung verbreitet, vor allem im mecklenburgischen Küstengebiet wurden slupgetakelte Boote
eingesetzt. Ein typisches Merkmal des Zeesenbootes sind die Driftbäume, die zusätzlich zu Achter- und Klüverbaum an Heck und Bug gefahren wurden und die Zeese
ebenso weit offen halten konnten, wie es bei den größeren Zeeskähnen der Fall war. Die kleineren Zeesenboote waren dabei handlicher, leichter und mit geringerem
Tiefgang besser für die flachen Boddengewässer geeignet. Sie konnten mit einer geringeren Besatzungsstärke gefahren werden.
Seit etwa 1880 wurde das bis dahin übliche Seitenschwert durch das Mittelschwert ersetzt. Um 1930 wurden erste Zeesenboote auch mit Hilfsmotoren ausgerüstet.
Das hatte keine Auswirkungen auf die Fischfangmethoden, wohl aber auf die Erschließung neuer Fischereireviere und die verbesserte Navigation in engen Fahrwassern.
Gefischt wurde weiterhin unter Segel, da das Zeesen mit Motorkraft in Boddengewässern meistens gesetzlich verboten war.
Gesetze hatten auch Auswirkungen auf die Verbreitung dieses Bootstyps. So sind durch eine gesetzliche Maßregelung bedingt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
viele Fischer mit Zeesenbooten nach Wismar und Rerik am Salzhaff, vor allem aber auch nach Dänemark ausgewandert. Ein Numerus Clausus begrenzte ab 1880 die Anzahl
der Zulassungen zur Zeesenfischerei im Stralsunder Revier. Seit 1908 ist die Zeesenfischerei im Oderhaff verboten. Entsprechende Eingrenzungen hat es auch in anderen
Gebieten schon vor dieser Zeit gegeben.
In Deutschland wurden Zeesenboote bis in die 1960er Jahre zum Fischfang verwendet. Der Niedergang begann vielerorts bereits nach dem 2. Weltkrieg. Zu den Ursachen
des Rückgangs zählen die veränderten Produktionsbedingungen nach 1945 in Ostdeutschland, die Entwicklung anderer Fangmethoden, z.B. der Fischerei mit Großreusen,
erweiterte bzw. andere Fischereireviere, die Arbeitskräfte woanders banden und die anhaltende Gewässerverschlechterung in den Bodden, die zum Rückgang der Fangerträge führte.
Heute existiert noch eine Flotte von etwa 90-100 Booten, die als Sportboote, Freizeityachten und zur Traditionspflege verwendet werden. Die ältesten noch erhaltenen
Zeesenboote sind aus der Zeit um 1880. Viele der Boote werden mit großer Sachkenntnis und aufwendig gepflegt, erhalten und in der Tradition der mecklenburgischen
oder vorpommerschen Fischereizeesenboote wieder aufgebaut.
Wo liegen Segelreviere für Zeesboote?
Zu den wichtigsten Häfen, in denen heute noch Zeesenboote beheimatet sind, gehören Bodstedt, Wustrow, Barth, Wiek, Althagen, Ribnitz und Damgarten, Freest, Stralsund, Greifswald und Rostock.
Welche Maße und Bauformen sind typisch für Zeesboote?
Zeesenboote weisen gemeinsame durch die Fischfangtechnik begründete Konstruktionsmerkmale auf. Im Grunde genommen ist jedoch jedes Boots ein unverwechselbares Original, und das nicht so sehr auf Grund des Riggs, sondern vor allem wegen des Rumpfes und seiner Aufbauten. Eine Serienfertigung hat es nie gegeben. Zeesenboote unterscheiden sich in Form und Gestalt der Außenhaut, des Vorschiffs und Hecks sowie dem inneren Aufbau. Auch die äußeren Maße sind recht unterschiedlich. Die durchschnittlichen Maße sind in der Tabelle zusammengefasst.
Länge über alles: | 10 - 12.50 m |
Breite: | 2.80 - 3.45 m |
Tiefgang: | 0.95 – 1.20 m |
Höhe Großmast: | 10 – 11 m |
Höhe Besanmast: | 6 – 7 m |
Segelfläche: | 70 – 110 m² |
Zeesenboote sind flachgehende Fahrzeuge ohne Kiel. Diese Rumpfform ermöglicht die Drift vor dem Wind. Um auch am Wind segeln zu können, wurden zuerst Seitenschwerter,
später Mittelschwerter eingesetzt.
Der Bootskörper ist meist halbgedeckt und wurde aus Eiche in Klinker- oder später in Kraweelbauweise gefertigt. Die Stärke der Planken beträgt etwa 4 cm. Steven- und
Heckformen sind variabel. Ältere Boote weisen einen konvexen Vordersteven und ein spitzgattiges Heck mit geradem Achtersteven auf. Seit etwa 1870 erhielten
Zeesenboote auch Rumpfformen, die im damaligen Großschiffbau verwendet wurden, also beispielsweise konkave Klippersteven und ein rundgattiges Heck.
Die Masten, Bäume und Decksaufbauten wurden aus Nadelholz gefertigt.
Ein weitere konstruktive Besonderheit ist der wasserdurchflutete Fischraum, in dem die gefangenen Fische lebendig transportiert werden konnten.
Wo wurden Zeesboote gebaut?
Die wichtigsten historischen Bootswerften, auf denen Zeesenboote gebaut wurden, sind Carl und Hans Domquast in Fuhlendorf, Johannes Holzerland in Barth (heute Schiffswerft Barth), Christian Jarling in Freest, die Poeler Bootsbau GmbH in Kirchdorf auf Poel, Stellmacherei Lange in Stove bei Wismar, Hermann Grählert in Pruchten, die Thomzik–Werft in Stralsund und Ekkehard Rammin&Söhne in Barth.
Welche Takelung und Segeleigenschaften haben Zeesboote?
Das Rigg der Zeesenboote blieb über einen relativ langen Zeitraum weitgehend unverändert. Zeesenboote sind entweder slupgetakelt mit 4 Segeln oder ketschgetakelt
mit 5 Segeln. Die Sluptakelung war vor allem im mecklenburgischen Raum und der Mecklenburger Bucht vorherrschend, ketschgetakelte Boote im Stralsunder und
Rügener Revier und am Oderhaff.
Die Segel bestanden aus Leinen oder später aus Baumwolle, die alle zwei Jahre mit Kienteer, Rindertalg oder Pferdefett, Leinöl und Ockererde, manchmal auch mit
Schweinefett und Heringslake geloht wurden. Neben einer entsprechenden Imprägnierwirkung ergab diese Behandlung die typisch braune Farbe der Segel.
Zeesenboote gehörten zu den besten Seglern im Boddenrevier. Man erreicht Geschwindigkeiten bis zu 7 Seemeilen pro Stunde und kann beim Kreuzen auf 7 Strich
(rund 80°) am Wind anliegen.
Wie wurde mit Zeesbooten gefischt?
Zeesenboote wurden in der Fischerei verwendet. Das Zeesenfischen ist eine einfache Form der Schleppnetzfischerei. Ein Fangnetz, die sogenannte Zeese, welche auch dem Bootstyp den Namen gab, wird über den Grund eines Gewässers gezogen. Das Netz wird dabei durch Spreiz- und Driftbäume am Boot weit offen gehalten.
Drift mit der Zeese
Das Boot liegt dabei quer zur Fahrtrichtung. Es driftet. Durch entsprechende Segelstellungen kann man so mehr oder weniger dicht am Wind auch
Ausweichmanöver bei Hindernissen in oder auf dem Wasser fahren, oder einem Bodenprofil des Gewässergrundes folgen. Die Größe der Segelfläche richtet sich
nach der Stärke des Windes. Der Erfolg beim Zeesenfischen ist sehr von der genauen Kenntnis des Gewässergrundes abhängig.
Die Mannschaft eines Zeesenbootes bestand meist aus einem Fischer und einem Gehilfen, die sich alle anfallenden Arbeiten teilten. Gezeest wurde der besseren
Erträge wegen vornehmlich nachts.
Literatur
Hermann Winkler:
"Zeesboote, Fischsegler zwischen Strom und Haff",
Hinstorff Verlag, Rostock, 2. Auflage, 1990, ISBN: 3-356-00362-3
Umfassendes Referenzwerk zu Zeesenbooten mit umfangreichem zum Teil historischem Bildmaterial, Beschreibungen der geschichtlichen Entwicklung des Bootstyps und der Zeesenfischerei
Hermann Winkler:
"Zeese, Zeesboot oder Zeesenboot und Fischerzeese",
in "Alte Schiffe", Kiel, 12/1994
Kurze Abhandlung zur Begriffsherkunft
Timm Stütz:
"Erlebniswelt Zeesenboote",
BusseSeewald DSV Verlag, Hamburg, 1997, ISBN: 3-88412-247-9
Bildband mit zahlreichen großformatigen Fotografien, Portrait des Zeesenfischers Ewald Moritz, die Bauwerft Jarling in Freest, der Neubau des Zeesenboots FZ42 "Sunddriewer", Zeesenboote als Modell
A. Dietzel, E. Krohn, R. Legrand:
"Zeesenboote im Nationalpark",
Sausewind Verlag, Ribnitz – Damgarten, 1994, ISBN: 3-9803999-0-7
Bootsbestandsaufnahme mit Hauptdaten und Fotos der noch vorhandenen Zeesenboote
Jochen von Fircks:
"Ewer, Zeesenboot und andere ältere Fischereifahrzeuge",
Hinstorff Verlag Rostock, 1982
Geschichtliche Grundlagen mit Abschnitten zur Entwicklung der Zeesenfischerei in Städten und Dörfern, über das Fischen mit Zeesenbooten, die Entwicklung dieses Bootstyps und Modellbauplan
Wolfgang Rudolph:
"Segelboote der deutschen Ostseeküste",
Akademie-Verlag, Berlin, 1969
Ethnographische Inventarisierung von segelnden Wasserfahrzeugen der deutschen Ostseeküste, enthält Kapitel zu Zeesenbooten mit Abschnitten zur Bootsbezeichnung, Bootsbau und Bootsform, Takelung und Segeleigenschaften, Arbeit und Leben an Bord und Segelrevieren
Hermann Winkler:
"Zeesboote. Segler durch die Zeiten",
Hinstorff Verlag, Rostock, 1. Auflage, 2007, ISBN: 978-3-356-01187-6
Ausgiebig bebilderte zusammenfassende Darstellung der Zeesbootszene, der Zeesenfischerei und Traditionspflege